Sowohl beruflich als auch privat lebe ich zur Zeit in Zwischenformen. Als angehender Lehrer befinde ich mich im Referendariat – eine seltsame Phase, in der sich die Freuden des Unterrichtens mit den Ängsten vor prüfenden Blicken vermischen. Gleichzeitig bin ich auch noch verlobt – ein Zustand, bei dem die Vorfreude auf das Eheglück mit den Planungen und Gesprächen darüber einhergeht, wie dieses denn nun aussehen soll.
Das Leben in Zwischenphasen ist zwar mit einigen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten, aber auch mit Spannung und großem Lern- und Erfahrungszuwachs verbunden. Die Besonderheit dieser Zwischenstadien möchte ich mit einer nicht ganz ernst gemeinten Auflistung von Gemeinsamkeiten zwischen Verlobung und Referendariat würdigen 🙂
🎨 1.) Ständig kreativ sein
Nie kann man „einfach mal machen“ und sein Hirn ausschalten. Ständig muss man sich etwas Kreatives, Schlaues, Noch-Nie-Dagewesenes ausdenken. Ja, es scheint alle Unterrichtsstunden und romantischen Dates müssten jede Menge Abwechslung bieten! Eine Rose zum Valentinstag ist ungefähr so einfallsreich wie Unterricht mit bloßer Bucharbeit. „Wie war dein Tag?“ ist das Äquivalent zu „Was haben wir letzte Stunde gemacht?“. Nein, da muss schon mehr her – gute „Impulse“ ist das Stichwort. Besser noch: die sogenannten „Operatoren“: „Beschreibe deine Gefühle, Schatz“. Selbst seine Komplimente muss man variieren, sonst verlieren sie ihre Bedeutung und der Partner bzw. die Schüler/innen nehmen sie nicht mehr ernst. Ebenso sollte der Humor frisch gehalten werden, sonst wird es schnell für alle Beteiligten peinlich. Natürlich gilt der Vorsatz, all diesen Einfallsreichtum auch nach dem Examen und nach der Hochzeit fortzusetzen 🙂
💭 2.) Rastloses Reflektieren
Oh, Reflexion, das Zauberwort für allerlei Probleme. Wie fühle ich mich dabei? Wie geht es dir damit? Wie wirke ich auf dich/ die Klasse? Wie haben wir uns/ ich mich entwickelt? Gibt es eine Progression des Unterrichts oder unserer Beziehung? Wo gibt es noch Entwicklungsbedarf? Ja, man kann über alles denken und reden. Doch so manches Mal fühlt es sich so an, als ob Dinge auch zerredet und zerdacht werden können. Wenn die Nachdenklichkeit und der Optimierungswahn zu sehr dominieren, kann dies das eigentliche Handeln, das Erleben von Unterricht und Liebe lähmen.
👀 3.) Vieles gleichzeitig im Blick behalten
Der gute Referendar muss viele Aspekte gleichzeitig im Blick behalten: Wie läuft mein Unterricht? Was mache ich in meinem nächsten Unterrichtsbesuch? Wann hat meine Fachleiterin Zeit? Bin ich in der Schule auch engagiert genug? Wie macht man eigentlich eine Steuererklärung? Wie geht es nach dem Ref weiter?
Ähnlich verhält es sich als Verlobter: Wo soll unsere Hochzeit stattfinden? Wer kümmert sich um Fotos/ Deko/ Flyer…? Wie geht es uns als Paar? Worauf sollten wir mehr achten? Haben wir trotz Vorbereitungen genug Spaß? Mit wem treffen wir uns? Wo und wie wollen wir eigentlich demnächst und danach leben bzw. wohnen?
Ja, die Zwischenphasen erfordern ein hohes Maß an Umsicht, wollen doch sowohl gegenwärtige Herausforderungen als auch baldige Veränderungen bedacht werden.
💫 4.) Schicksalshafte Verbindungen
Den Partner kann man sich aussuchen, deren/dessen Familie jedoch nicht. Mal harmoniert das gut, mal gibt es Schwierigkeiten. Ähnlich verhält es sich mit den vom Seminar zugewiesenen Fachleiter/innen, die das Referendarsleben lehrreich aber auch schikanierend und nervtötend machen können.
Sowohl Schwiegereltern als auch Fachleiter/innen können einem in das Allerheiligste – dem Lehrer seinen Unterricht, dem Paar seine Beziehung – reinreden; sie haben ja ihre eigenen Vorstellungen, wie das zu laufen hat. Das wird natürlich gerne angenommen, will man doch gerade am Anfang des Beziehungs- und Berufslebens einen guten Eindruck machen! Froh kann sich derjenige schätzen, der hier an die richtigen Leute geraten ist. In diesem Fall kann auch eine hierarchisch-anmutende Beziehung natürliche Züge gewinnen, spätestens beim Examen/Hochzeitsfest – wo wir beim nächsten Punkt wären…
📆 5.) Alles steuert auf den großen Tag hin
Sobald das Datum des Examens oder der Hochzeit feststeht, wird oft das ganze Leben darauf ausgerichtet. Da werden Materialien gesammelt, Ideen gesponnen und minutiöse Vorkehrungen getroffen. Je näher der Termin, desto mehr Fragen der Freunde: „Und, stehen die Vorbereitungen? Wie läuft es bisher? Bist du aufgeregt? Wo geht’s danach in Urlaub?“ Die Vorstellung, wie viele Augenpaare am großen Tag auf einen gerichtet sind und ganz genau schauen, wie man sich denn als Lehrer oder Bräutigam so macht, kann Schwindel hervorrufen. Doch Obacht…
⏩6.) Und doch ist es nur der Anfang
Auch wenn es scheint, dass zwei Daten über das Glück der Zukunft entscheiden, so geht es danach erst richtig los. In der Ehe- und Berufspraxis sollte tagtäglich das Ziel sein, ein guter Lehrer und Ehepartner zu sein – auch wenn keiner hinschaut und alles schon in scheinbar festen Bahnen verläuft.
Vielleicht ist es diese Sehnsucht nach Stabilität und gesicherten Verhältnissen, die Zwischenstadien wie Verlobung oder Referendariat manchmal etwas herausfordernd macht. Mir als Christ dienen diese Phasen als Erinnerung dafür, dass wir – bei aller Schönheit im Leben – doch nur Fremdlinge und Gäste auf dieser Erde sind und in diesem Zwischenstadium auf etwas Besseres, Festeres und Vollkommenes hoffen können. 🙂
Diese alle sind gestorben im Glauben und haben die Verheißungen nicht ergriffen, sondern sie nur von ferne gesehen und gegrüßt und haben bekannt, dass sie Gäste und Fremdlinge auf Erden sind. (Hebr 11,13)
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Wie. Ganz toll geschrieben! Ich bin selber gerade im Ref und habe mich an sehr vielen Stellen wiederfinden können. Auch bei mir läuft aktuell alles auf diesen einen großen Tag hinaus – und der ist bereits am Mittwoch! Daher tut es gut, zu lesen, dass es auch anderen so geht!
Hey Lisa! 🙂 Vielen Dank für deine liebe Rückmeldung!! Es freut mich dass du dich ein wenig wiederfinden konntest. Ja, wir Referendare müssen zusammenhalten 💪
Owei, Mittwoch Examen? Dann wünsch ich dir gaaaaaaaaanz viel Erfolg! 🙏 Lass es danach richtig krachen, dann bist du den ganzen Prüfungsdruck endlich los 🙂
Sehr schöner Text. Hab ihn mit Interesse gelesen, besonders Punkt 4 😊 …dann auf ein gutes gemeinsames Schicksal👍
Danke, liebe Karin, für diese schöne Ermutigung 🙂 Ich freue mich auch schon auf den nächsten Besuch und alles Weitere in der Zukunft 😇🙃
Sebastian, was bist Du doch für ein Schelm! Hätte ich in diesem Ausmaße nicht erwartet.
Martin 🙂 Das musst du mir beim nächsten Weinchen genauer erläutern 🍷☺️
Du bist ungemein lustig!
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