Während einige Schulabsolventen den Lehrerberuf aus Verlegenheit, Einfallslosigkeit (Schule kennt man ja) oder Sicherheitsgründen gewählt haben, gibt es auch die Idealisten: Menschen, die in ihrer Berufung als Lehrer/in die Welt zum Guten verändern möchten. Auch besonders viele (mir bekannte) Christen wählen den Beruf, um „Kinder und Jugendliche (positiv) zu prägen“, „ein Licht zu sein“ oder um „Beziehungsarbeit“ mit jungen Menschen zu betreiben.
Doch wie viel Veränderung kann ein/e Lehrer/in wirklich bewirken? Glaubt man einigen Lehrerfilmen, dann können Lehrer versteckte musikalische Talente ans Tageslicht bringen (Die Kinder des Monsieur Mathieus: Trailer), neue Bewegungen starten (Die Welle), Rassismus und Clan-Kämpfe durch ein Unterrichtsprojekt ausradieren (Freedom Writers), Selbstbestimmung und Lebensfreude fördern (Der Club der toten Dichter) und für neue Sportarten begeistern (Der ganz große Traum).
Auch ich bin mit hehren Motiven in den Lehrerberuf gestartet und habe mich dabei von derlei Filmen, Erzählungen von Freunden, eigenen Schulerfahrungen und den eigenen Träumen und Vorstellungen des Lehrerdaseins anstecken lassen. Nun habe ich schon über ein Jahr im Ref eigene und auch ein paar fremde Klassen und Kurse unterrichtet.
Letzte Woche habe ich alle die Schüler/innen meiner Kurse (mit etwas Wemut) mit warmen Worten in die Ferien verabschiedet und mich anschließend gefragt, ob mein Unterricht hilfreich war, was hängen bleibt und ob und wie mein Dasein tatsächlich etwas „bewirkt“ hat. Auch wenn ich gerade erst am Anfang stehe, hier schon mal meine ersten Gedanken dazu:
🗣1.) Konkrete Rückmeldungen gibt es selten: Klar habe ich mir mal Feedback zum Unterricht eingeholt. Am Ende des Schuljahres bekommt man einige wenige nette Kommentare zum Unterricht oder zur Person. Ob aus Höflichkeit oder echter Dankbarkeit, bleibt offen. Einmal bekam ich sogar einen lustigen Kommentar zum Nikolaus (siehe Bild). Aber was wirklich bei den Schülern ankommt und auch langfristig hängen bleibt, kann ich nur vermuten. Auch meine eigenen Lehrer haben von mir nie erfahren, ob und was ich an ihnen geschätzt habe. Und das, obwohl ich den „Lehrerliebling“ (/Schleimer)-Award erhalten habe. 🙈😀
Wer glaubt einen positiven Einfluss auf seine Schüler/innen zu haben, muss sich auf das „Glauben“ beschränken, denn konkrete „Beweise“ dafür wird er/sie (aus meiner kurzen Erfahrung heraus) eher selten bekommen.
🔍 2.) Richtig gut kann man Schüler kaum kennenlernen: Auch wenn ich die oftmals lebhaften und humorvollen Interaktionen mit den Schüler/innen (überwiegend) genieße, mache ich mir keine Illusionen darüber, dass ich die Schüler nicht wirklich kenne. Was sie bewegt, was sie in ihrer Freizeit treiben und wie ihr Leben aussieht, weiß ich oft – wenn überhaupt – nur sehr rudimentär. Ich stehe zu ihnen in einer Arbeitsbeziehung, sehe sie 2-3 Stunden pro Woche und dann auch nur in einem großen Rudel. Kurz vor den Sommerferien war ich auf Klassenfahrt in England. Bei Wanderungen konnte ich mit einigen Schüler/innen ein wenig smalltalken. Wenn sie dann von ihren neusten Online-Spielen, Snapchat-Streaks oder Beziehungsdramen erzählen, spüre ich, dass ich trotz meines noch recht jungen Alters doch recht weit weg von ihrer Lebenswelt bin.
Obwohl ich selbst ein gesprächiger Genosse bin, dauern Einzel- oder Kleingruppengespräche mit Schüler/innen auf Fahrten oder in der Pausenhalle ohnehin oft nur maximal einige wenige Minuten (wenn überhaupt). Viel mehr ist bei mir aufgrund der Distanz, meiner Rolle, der Unterschiede und zum Teil auch aufgrund einer gewissen „awkwardness“ in solchen Gesprächen nicht drin. Entsprechend erscheinen mir die Möglichkeiten, persönlichen positiven Einfluss (z.B. in Form von Ermutigungen) zu geben, stark eingeschränkt. Oftmals ist es tatsächlich „nur“ der Unterricht, in dem wir Lehrer/innen wirksam sind. In Sonderrollen wie Klassen- oder Beratungslehrer mag das anders sein, aber auch hier dürften einige der angeführten Gesprächsschwierigkeiten bleiben.
😴 3.) Die erzieherischen Unterrichtsziele erscheinen manchmal redundant und selbstverständlich: Egal ob ich die Germanen in Geschichte oder Auslandsaufenthalte in Englisch thematisiere, am Ende läuft es sehr häufig darauf hinaus, dass wir alle weniger Vorurteile haben sollten. Auch wenn ich dieses Ziel sehr begrüße, fühlt es sich manchmal etwas platt an, diese Erkenntnis immer und immer wieder zu forcieren. Entsprechend geben meine braven Münsterländer Schüler auch fast immer die „richtigen“ Antworten. Die mittlerweile üblichen AfD-Vergleiche in Geschi oder Verweise auf Toleranz und Verständnis wecken nur noch ein müdes Lächeln hervor, bahnbrechend ist das für sie alles nicht. Pegida ist weit weg; die Gefahr einer Radikalisierung oder Intoleranz sehe ich in den Gesichtern dieser wohlsituierten Kindern und Jugendlichen nicht wirklich. Man muss schon provozieren, um aus den eingeübten und sozial-erwünschten moralischen Denkmustern mehr Eigenständigkeit und Reflexion zu kitzeln. Vergleiche ich diese Zustände mit den oben genannten Filmen, dann wirkt das heute doch alles weit weniger dramatisch und „filmreif“.
🙋♂️4.) Persönlichkeit punktet: Eine Sache, die ich tatsächlich öfters gespiegelt bekommen habe, ist eine Einschätzung der eigenen „Lehrerpersönlichkeit“. Ich habe nicht versucht, irgendjemand bestimmtes zu sein und habe mich oft so gegeben, wie ich bin bzw. mich fühle. Öfters wurde das als witzig (bzw. bemüht witzig ;)) oder freundlich wahrgenommen. Auch wenn das nicht immer angebracht war – ein wenig mehr Strenge hätte sicher auch nicht geschadet –, bin ich insgesamt froh, „ich selbst“ gewesen zu sein. Ich glaube, dass wir gerade dann am meisten bewirken können, wenn wir eben das sind – man selbst. Wenn jeder möglichst natürlich bleibt, bringt er/sie auch eigene Perspektiven und Ansätze mit, die in der Vielzahl für Schüler/innen hilfreich sein können und gelegentlich Identifikations- und Inspirationspotential bieten.
🙊 5.) Eigene Überzeugungen bleiben im Hintergrund: Als Lehrer bringe ich selbst eine Menge Überzeugungen mit, muss diese aber aus Neutralitätsgrunden zurückhalten. Mein Denken und Handeln ist beispielsweise maßgeblich durch den christlichen Glauben bestimmt, aber verbalisieren sollte ich das im Unterricht nicht. Auch wenn ich manchmal denke, dass diese oder jene Haltung in einer bestimmten Situation oder Fragestellung hilfreich wäre, so lasse ich die Schüler/innen selbst diskutieren, was sie für richtig halten. Dadurch kommen zum Teil aber auch ganz kuriose Gespräche zustande, aber dazu vielleicht in einem anderem Post mehr… 😀
🤓 6.) Kompetenzzuwachs ist doch auch was: Selbst wenn wir Lehrer/innen keine bahnbrechenden Veränderungen bewirken, ist es schon schön, wenn die Schüler/innen den ganz gewöhnlichen Schulalltag meistern und durch den Unterricht ein wenig kompetenter werden – ob im Sprechen einer fremden Sprache, in ihrem Denk- und Reflexionsvermögen, ihrer Urteilsbildung oder ihrem Sachwissen. In der Gänze können all die kleinen täglichen Lernzuwächse zu einer höheren Bildung, zu mehr Selbstvertrauen, Orientierung und zur Vorbereitung aufs spätere Leben führen. Manchmal frage ich mich zwar, ob die Schüler/innen tatsächlich bei mir dazulernen – die Guten waren meist schon vorher gut und die Schwächeren tun sich auch am Ende schwer – aber ein wenig Progression wird es wohl geben. Hoffentlich. Denn…
🙏 7.) Die Hoffnung stirbt zuletzt: Selbst wenn die Wirkungsmöglichkeiten eines Lehrers insgesamt eher beschränkt sein mögen und wenig filmreif erscheinen, so lohnt es sich trotzdem, in Unterricht und Schüler/innen zu investieren, in der Hoffnung, dass Gott schon irgendwas draus machen wird. Ich versuche mittlerweile, gar nicht so viel an Dank oder Veränderungszeichen zu erwarten (Dankeskarten, besondere Kommentare etc.), sondern einfach zu machen und mich auf die nächste Stunde zu konzentrieren. 🙂
Und vielleicht können wir ja ab und zu Menschen in ihren beruflichen Rollen – nicht nur Lehrer – für ihren Einsatz danken. Die Amis schaffen das oft schon ganz gut, z.B. in diesem Video 🎦😌