„Happy new month!“ Diesen Glückwunsch habe ich in meinem Auslandssemester in Nigeria des Öfteren gehört. Ich war damals etwas verwundert, wünschen wir uns daheim doch eigentlich nur zum neuen Jahr alles Gute. Aber ich habe schnell gelernt, dass man sich in Nigeria zu allen möglichen Gelegenheiten schöne Dinge wünscht:
- Sonntags wurde mir „Happy Sunday!“ gesagt
- wenn man jemanden in der der Adventszeit anrief, waren die Wartetöne der Mobilfunkbetreiber weihnachtlich eingestimmt (statt tüt-tüt Jingle Bells…)
- auch der Valentinstag wurde breiter und üppiger gefeiert (mit Geschenken und Grüßen wie „Happy Valentines“)
Auch wenn das alles für mich schon über vier Jahre her ist, schleicht sich die „Happy new month“-Tradition immer noch in mein Leben ein. Meistens in Form von WhatsApp-Rundnachrichten oder Facebook-Posts meiner nigerianischen Freunde. Pünktlich zum ersten eines Monats erhalte ich leicht kitschige Memes oder Diashows mit allerlei Segenswünschen für viele möglichen Bereiche meines Lebens nebst Bildern von Blumen und Sonnenuntergängen. Hier ein paar Beispiele:
Anfangs fand ich diese Segenswünsche irgendwie schön. Sie erinnerte mich daran, dass ein kleiner neuer Abschnitt in diesem Jahr beginnt und lassen mich überlegen, wo ich am Ende des Monats stehen möchte und was mich bis dahin wohl alles erwartet. Zeitliche Marker wie Geburtstage, Jahresanfänge und nun auch Monatsanfänge können Anlässe für Dankbarkeit, Planung, Gebet und Vorausschau sein. Zudem fand ich es schön, Ermutigungen und liebe Wünsche von Menschen einer ganz anderen Kultur zu erhalten. Man wünscht sich Gutes, man geht zusammen in etwas Neues. In Nigeria selbst und auch noch anfangs in Deutschland habe ich häufig „Happy new month“ zurückgesagt bzw. -geschrieben.
Mittlerweile jedoch nehme ich solche Kettennachrichten und -wünsche meiner nigerianischen Freunde kaum noch wahr, oft lasse ich sie unbeantwortet. Zu oft habe ich sie gelesen, zu schnell ist eine Nachricht weggeklickt, zu weit weg ist mir diese Kultur, die immer mit so vielen Superlativen und allzu frommer Sprache hantiert.
Gestern nacht habe ich mich mit einer Freundin in einer warmen Sommernacht auf meinem Balkon bei einem Bierchen Radler verquatscht. Es ging unter anderem um Lebenswege; wo und wie es nach ihrem gerade abgeschlossenen Studium wohl für sie weitergeht. Nach Mitternacht schaute ich auf die Uhr, wie spät es wohl sei. Dabei sah ich, dass gerade ein neuer Monat angebrochen ist, der August. Plötzlich musste ich an diese fast schon verdrängte Tradition des „Happy new month“-Sagens denken. Ich erklärte ihr diesen nigerianischen Brauch und wünschte ihr feierlich einen schönen neuen Monat. Für sie ist es der erste als Absolventin. Ich habe den Wunsch schon oft ausgesprochen, aber dieses Mal meinte ich ihn noch mehr. Ihr neuer Monat sollte ein guter werden soll.
Ein neuer Lebensabschnitt ist eine lange Zeit. Ein Monat dagegen dauert nicht ganz so lang. Vielleicht hilft es ihr, vielleicht hilft es mir, vielleicht uns; manchmal in kleineren Zeitabschnitten zu denken. Mein ohnehin schon oft überarbeitetes Hirn wirkt schnell überfordert, wenn ich Fünfjahrespläne spinnen soll. Sicherlich, auch Langzeitpläne haben ihren Platz. Aber wenn der Horizont gerade begrenzt und die Sicht neblig ist, kann ein „Happy new month“ eine erleichternde Erinnerung daran sein, den nächsten Schritt zu gehen. 👣