Vor ein paar Wochen rollten wir Mitarbeiter auf einer Kinderfreizeit eine blaue Plane auf einem kleinen Hügel aus. Dazu spritzten wir ein wenig Wasser und Seife auf die Plane und luden die Kids ein, herunterzurutschen. Die einen rutschten vorsichtig ein paar Meter, die anderen nahmen lange Anlauf und rutschten mit ihrem ganzen Körper und Sein – liegend, kniend, schreiend – die Anhöhe herunter, bis sie johlend und durchnässt das Gras am Ende der Plane erreichten und gleich wieder hochsprinteten, um noch einmal zu rutschen.
Die Begeisterung der besonders schnellen und forschen Teilnehmer steckte auch uns Mitarbeiter an, sodass wir im Wettkampf versuchten, möglichst weit zu rutschen. Die eher zaghaften Jungs und Mädchen zerstreuten sich jedoch nach einer Weile wieder. Vielleicht fühlten sie sich angesichts ihrer wenigen Rutschmeter eingeschüchtert, vielleicht verhinderte das Vergleichen die Begeisterung.
Es ist einfach, auch als Erwachsener, sich an den Begeisterten zu freuen und die Zögerlichen eher aus dem Blick zu verlieren.
Dabei war ich oft selbst das zaudernde Kind. Beim Fußball habe ich nie gegrätscht, obwohl ich Verteidiger war. Irgendwie habe ich es nie geschafft, gewollt oder gewagt, mich fallen und rutschen zu lassen, selbst wenn der Stürmer dann an mir vorbeikommt. Im Schwimmunterricht war schon der Blick und Sprung vom 3er furchteinflößend, während meine mutigen Klassenkameraden fröhlich vom 5er sprangen, teils mit „Köpper“ oder gar Salto – unvorstellbar für jemanden wie mich, der eher „worst case“-Szenarien als „best adventure“-Visionen spinnt.
Dabei wollte ich auch ein kühnes 5er-Kind sein und so bissig verteidigen wie die raubeinige italienische Nationalmannschaft.
Es schien und scheint mir oft so, dass meine punktuellen Versuche, unverfroren und unerschrocken zu sein oder zumindest zu wirken, nichts Grundsätzliches an meiner tendenziell kleinmütigen bis bangen Disposition ändern.
Eine gewisse Bedachtsamkeit und Vorsicht haben ja auch ihren Nutzen. Manchmal, das muss ich leider zugeben, habe ich mich sogar bestätigt gefühlt, wenn den Unerschrockenen etwas passiert ist oder eine tollkühne Aktion oder ein optimistisches Projekt anderer schiefgelaufen ist. „Sowas passiert mir nicht. Das war nicht genug durchdacht. Da siehste mal…“
Aber tief in mir beneidete ich die Mutigen auch dann, wenn sie scheiterten. Zumindest hatten sie diesen Antrieb und diese Bereitschaft, einfach loszulegen und der Gefahr entgegenzugehen.
Als vor kurzem die „Real Life Guys“ mit ihren wahnwitzigen Ideen und mit Philipps tiefen Glauben und Frieden im schlimmsten Leid berühmt wurden, musste ich unweigerlich meinen Klein- mit ihrem Wagemut vergleichen. Die fetzig unterlegten Videos über ihre spannenden, kreativen und schwierigen Outdoor-Projekte – von der Achterbahn bis zum U-Boot – sprühen einfach vor jugendlicher Leichtigkeit und Lebensmut.
Ich vermute, dass aus mir kein Draufgänger mehr werden wird und ich mich auch nicht unbedingt durch entsprechende Videos oder Mutproben zu einem solchen motivieren kann.
Aber ich hoffe und glaube, dass ich auch als Lehrer, Blogger und Grübler ein „Real Life Guy“ sein kann. Jemand, der sich von Gott, Mitmensch und sich selbst herausfordern lässt, auf die Plane und in neue Situationen zu springen; der aber ebenso abwarten kann, wenn die Unsicherheit dominiert. Und der Verständnis hat für all diejenigen, deren Persönlichkeit und Vorerfahrungen manchmal den Wagemut verhindern.
„Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“– 2. Timotheus 1,7