„Warum müssen wir eigentlich Geschichte lernen?“ Diese Frage stellte mir ein Siebtklässler neulich, als wir uns mit der einstigen Inkakultur und dem europäischen Kolonialismus beschäftigten.
„Ich meine, warum soll ich etwas über so alte Kulturen und ihre Religion lernen, an die ich sowieso nicht glaube? Das hat doch nichts mehr mit uns heute zu tun“
Eine heikle und ehrliche Frage, die eine gute Antwort erfordert. Sofort schossen mir verschiedene Antwortmöglichkeiten durch den Kopf. Die Geschichtsdidaktikseminare der Uni sollten nun ihren Zweck erfüllen: Begriffe wie „reflektiertes Geschichtsbewusstsein“, „interkulturelles Lernen“ „Multiperspektivität“, „Geschichtskultur“ und „Identität“ kamen wieder hoch. Aber als ich in sein junges Gesicht schaute, spürte ich intuitiv, dass derlei Termini wohl übers Ziel hinausschießen würden.
Also zog ich eher unwissenschaftliche Erklärungsansätze wie „Damit wir etwas aus der Vergangenheit lernen können“ in Erwägung. Aber ich befürchtete die naheliegende Gegenfrage: „Was denn genau und wozu?“
„Ja also Respekt vor anderen Kulturen zu entwickeln und zu lernen, ähm ja, dass es nicht so gut ist, fremde Kulturen einfach kaputtzumachen, also nicht, dass du das vorhättest, aber halt eher so grundsätzlich…“
Ich bin überzeugt, dass die Beschäftigung mit den Inkas im Speziellen aber auch mit Geschichte im Allgemeinen tatsächlich wertvoll und wichtig ist. Ein Bewusstsein für das Gewordensein der Welt, das Denken und Tun sowie die Handlungsspielräume unserer Vorfahren und das kritische Einordnen von Moralvorstellungen und vielem mehr kann Menschen auf eine bestimmte Weise erden, die Tyrannei des „Jetzts“ beschwichtigen und dazu anregen, ausgewogener und differenzierter auf Mensch und Gesellschaft zu schauen und sich durch all diese Überlegungen auch bewusster dafür sein, wer man selbst ist, woher man kommt und welchen Auftrag wir heute haben. Der Sinn und Wert von Geschichte ist durch Schule, Studium und auch eigenes Interesse mittlerweile tief im Herzen verankert.
Das Problem: All das ist schwerlich zu kommunizieren und ebenso nicht leicht zu erfassen, gerade für Pubertierende, denen diese hehren Ziele noch viel zu abstrakt und fern sind und die sich eher mit greifbareren Dingen beschäftigen, die schnelleren Dopaminausstoß als eine Quellenanalyse versprechen.
Auch in anderen Lebensbereichen begegnet mir dieses Phänomen: Je mehr ich von einer Sache überzeugt bin und sie mir am Herzen liegt, desto schwieriger ist dies anderen verständlich zu machen.
In Glaubensgesprächen und -diskussionen mit Skeptikern oder Nicht-Gläubigen beispielsweise fiel und fällt es mir trotz oder gerade wegen des Erfülltseins schwer, meine Glaubenserfahrung möglichst kompakt zu kommunizieren. Ich kann clevere Antworten zwar „trainieren“ und mir die Worte für eine 30-sekündige Präsentation zu Recht legen, aber auch dabei geht ein Stück der inneren Gewissheit, des Erfahrungsschatzes und der Emotionalität, die bei dem Thema unweigerlich mitschwingt, verloren.
In der Liebe, die heute am Valentinstag überall auf der Welt mehr oder weniger intensiv zelebriert wird, scheint mir meine Sprachlosigkeit am Größten zu sein. Wenn ich gefragt werden, wie denn die Ehe mit Luise so läuft oder wie unser Leben so ist, dann werden mir so viele Aspekte unserer Beziehungs- und Alltagsrealität bewusst, dass ich überfordert bin, „adäquat“ zu antworten. Das persönliche Vertrautsein und die innige Liebe zwischen zwei Menschen, die sich in verrückten Kosenamen und anderen „Insidern“ ausdrückt, aber auch gespeist wird durch gemeinsames Bangen und Beten bei Prüfungen und anderen Herausforderungen, viele humorvolle, persönliche und manchmal auch schwierige Gespräche und einer eigenen kleinen „Mikrokultur“, die man sukzessive zusammen entwickelt, die lässt sich nicht wirklich runterbrechen auf ein paar nachvollziehbare, möglichst unkitschige (wir sind ja in Deutschland!) und anschlussfähige Sätze.
Und wenn man es doch versucht, kann es peinlich enden. Ich erinnere mich gut, wie seltsam ich es als Single empfand, wenn Paare ihr persönliches Liebesglück in die Welt hinausposaunten oder auch einfach nur sagten, wie „wunderschön“ und „genial“ die Ehe ist und dass sie sich doch schon viel früher hätten kennenlernen und heiraten sollen. In solchen Momenten fühlte ich mich außen vor, ich konnte ihre Vertrautheit und Zuneigung selber nicht wirklich in allen Dimensionen nachvollziehen.
Ich glaube, die sprachliche Ohnmacht ist neben der Privatsphäre der Hauptgrund, warum ich bisher so wenig über das Eheleben hier auf dem Blog geschrieben habe. Zwar habe ich schon diverse Beiträge über gute Kommunikation verfasst und für „Sprachfähigkeit“ in vielen Bereichen geworben, aber gerade die Liebe führt mich an die Grenzen des Sagbarens (entschuldigt die dramatische Wortwahl).
Darum schließe ich diesen Valentinspost nicht mit öffentlichen Liebesbekundungen, die Luise sowieso viel zu peinlich wären, sondern mit einem kleinen Bild aus dem letzten Sommer. Bilder sagen meiner Überzeugung nach längst nicht immer mehr als 1000 Worte, aber sie geben vielleicht einen ergänzenden kleinen Eindruck in eine andere Lebenswelt. Letztlich müssen wir jedoch alle unsere eigene Lebenswelt gestalten und füllen, am 14.2. und darüber hinaus. Dass diese schwer vermittelbar ist, muss nicht unbedingt schlecht sein, sondern kann zu einem geheimen, kleinen Schatz werden, der ganz persönlich bleibt..
Wie unermesslich reich ist Gottes Weisheit, / wie abgrundtief seine Erkenntnis! / Wie unergründlich sind seine Entscheidungen, / wie unerforschlich seine Wege! – Römer 11,33