Als ich in meinem Spam-Ordner nach einer „richtigen” eMail suchte, brachte meine Neugierde mich wieder um meine Zeit und meinen Verstand: ich wollte wissen, was die nigerianischen Prinzen, einsamen reichen Witwen und sonstigen fiktiven Subjekte der Spam-Schreiber für clevere Ideen entwickelt hatten, um die Naivität, Liebessehnsucht oder Gier westlicher Damen und Herren auszunutzen.
Was soll ich sagen? Meine Neugierde und Unterhaltungssucht wurden nicht enttäuscht! Eine eMail, die mit dem Betreff “African Priest Helps White Man” beginnt, zog mich sofort in den Bann:
Danke Afrika für diese Entdeckung! Die besten Stücke der Massai haben die wissenschaftliche Gemeinschaft schon lange verblüfft – doch nun wurde das Geheimnis des Rituals, dass alte Männer in Teenager und Ochsen verwandelt, endlich gelüftet.
Als ich diese eMail gelesen habe, musste ich laut und herzhaft lachen. Diese eMail enthält einfach alles – einen verstecken afrikanischen Stamm mitsamt Priester, „explosive“ Heilungsmittel, blumige Andeutungen („manhood“ & „anchor“) & bombastische Sprache („heroic“ & „on fire“), ein großes Geheimnis und ein noch größeres Versprechen… Was sagt das über uns (weiße) Männer aus, dass sich ein Spam-Autor von solch einem Text Erfolgschancen erhofft?
Diese Art der Hochstapelei gepaart mit schwülstig-grandioser Sprache habe ich in Nigeria immer wieder erfahren und obwohl oder gerade weil das so absurd ist, muss ich irgendwie darüber lachen.
Danach habe ich mich gefragt, ob ich mit 33 Jahren eigentlich mittlerweile reifer sein sollte und stattdessen über politisches Kabarett oder britischen Humor lachen sollte. Das tue ich tatsächlich – nicht umsonst werde ich in Filmgesprächen nicht müde, die witzigste britische Komödie aller Zeiten – “Death at a funeral” – zu empfehlen.
Aber trotzdem schwillt in mir ein gewisser infantiler Humor, der über Dinge lachen kann, über die sonst meine pubertären Schüler lachen.
Und genau das bringt mich manchmal in Verlegenheit. Schülerhumor ist meistens ziemlich platt, aber dennoch fällt es mir bei manchen Kommentaren meiner Schützlinge sehr schwer, „professionell“ zu bleiben und mein Lachen zu verkneifen. Wenn sich ein russlanddeutscher „Dick“ über seinen eigenen Nachnamen lustigmacht, wenn mir ein Schüler bei einer Ausflugszieldiskussion empfiehlt, dass „Amsterdam immer für ein Trip gut wäre“, ein Geschichtsschüler in einer Plakatarbeit die Zent(-)rum-Partei als Partei des billigen Alkohols präsentiert oder wenn ein Englisch-LKler und Shakespeare-Hasser eine kreative Schreibaufgabe zu Hamlet mit „Dear Omlette“ beginnt. Manchmal geht meine Hand zur Beschämung ins Gesicht , manchmal auch zur Lachunterdrückung.
Dummerweise merkt die Lerngruppe meistens, wenn ich mir ein Lachen versuche zu unterdrücken. Das kann ich nämlich ungefähr so gut wie Lambrecht taktvolle Neujahrsansprachen (welches ich mir vor lauter Situationskomik schon mind. 5x angeschaut habe). Aber ich bin zum Glück nicht ganz allein: TV-Moderatoren schaffen es auch nicht immer, bei kroatischen Traditionen, hohen Stimmen oder betrunkenen Autofahrern ruhig zu bleiben. Nur ein ugandischer Moderator bleibt cool, wenn ein verrückter Pastor sexuelle Aufklärung an Objekten demonstriert, bevor er sie dann aufisst.
Ich selbst kann mich an zahlreiche Situationen im Gottesdienst, in ernsten Gesprächen oder bei anderen ehrwürdigen Kontexten erinnern, wo ich eine bizarre Situation so witzig fand, dass ich nur mit Mühe und Not und mit ganz viel Hände vorm Gesicht meine innere Belustigung nicht auszudrücken.
Einmal zum Beispiel wurde im Gottesdienst eine bunte Bildershow zum Muttertag vom Moderator damit kommentiert, dass Hollywood ja nicht mit diesem Clip mithalten könne. Mein Sitznachbar und ich hatten große Schwierigkeiten, diesen liebgemeinten Kommentar ernstzunehmen.
Ein anderes Mal waren Luise und ich von einer netten holländischen AirBnB-Gastgeberin zum Mittagessen eingeladen, wo wir, nachdem ich mein Handy wegen der Strahlung ausschalten musste, mit allerlei wilden Esoteriktheorien bombardiert wurden: Unter der Erde lebende Aliens, die von Kristallen gewärmt werden (bei 21°), kanalisiertes Schreiben einiger Erleuchteter während wir von der 5G-Masten malträtiert werden und das alles in über 7 Dimensionen, in denen wir leben. Während ich meinen Journalistenhut aufsetze und immer mehr aus hier hervorkitzeln wollte, vermied ich es tunlichst, Luise anzuschauen, denn ich wusste, dass es dann kein Halten mehr geben würde.
Humor scheint mir etwas, was man sich bewahren muss. Im engeren Sinne muss man ihn manchmal aus Respekt vor anderen für sich behalten, aber im weiteren Sinne ist es oft befreiend und wohltuend, die Skurrilität menschlichen Handelns – ob in eMails, beim Reisen, in formalen Kontexten oder in der Schule – sehen und manchmal auch mit einem herzhaften Lachen ausdrücken zu können. Bei all den Bürden des Erwachsenenwerdens und -seins kann ein wenig Infantilität nicht schaden – für dieses Geheimnis braucht man noch nicht mal einen afrikanischen Priester!