Ich bin ein Sommerfan – das lebendige Treiben draußen, Garten- und Grillfeste, Schwimmen am See, die besondere Magie der warmen Abendluft, das Morgenlicht, welches mich aus den Federn treibt – all das belebt und beschwingt. Ich liebe es auch, luftig leicht mit T-Shirt und kurzer Hose durch die Stadt zu radeln. Das Leben fühlt sich leichter an, wenn man keine schwere Jeans oder dicke Daunenjacke an sich tragen muss.
Als Lehrer stellt sich in den Sommermonaten dann aber die Frage, wie man es mit der Kleidung im Schulgebäude hält. Darf man als Lehrer in kurzen Hosen unterrichten? Mir wurde seitens der Leitung zwar mal ein okay gegeben, aber daran schließt sich die Frage an: Soll ich das überhaupt? Büße ich mit blanken Unterbeinen nicht Autorität, Professionalität und Vorbildcharakter ein?
Ich habe mich vor 2-3 Jahren dafür entschieden, es dennoch zu tun. Zum einen deshalb, weil mir die Last, sich stundenlang bei 30+ Grad in schwitzigen Jeans zu quälen, zu schwer schien. Auch abseits der Jeans kamen für mich keine alternativen Langhosen in Frage: Die leicht-luftigen Stoffhosen, die ich aufgrund kultureller Rücksichtnahme im Senegal und in Nigeria trug, sind hier soziokulturell nicht wirklich akzeptiert. Das spürte ich z.B. als ich einst mit einer solchen am Flughafen in Bremen vom Zollbeamten für verdächtig eingestuft wurde und ich nach Drogen, tropischen Früchten und dergleichen untersucht wurde. Aber das nur am Rande. Auch andere Langhosen können meinem Empfinden nach nicht mit dem Erfrischungsfaktor von Kurzhosen mithalten. Kurzum: Ich habe die alte Regenweisheit „Es gibt kein schlechtes Wetter, sondern nur schlechte Kleidung“ auf den Sommer übertragen und lange Hosen für schlechte Kleidung eingestuft.
Doch hinter diesen praktischen Gründen liegen auch grundsätzlichere Motive und Fragen, die man sich nicht nur im Hochsommer zwangsläufig stellen muss. Wie stark trenne ich Berufliches und Privates – nicht nur in meiner Kleidung? Wie balanciere ich Authentizität und Professionalität? Wie viel Wert lege ich auf das Erscheinungsbild und die (vermutete) Fremdwahrnehmung meiner selbst? Wo sollte ich bereit sein, Kompromisse zu machen und meine Bedürfnisse hintenanzustellen?
Solche Überlegungen stehen auch hinter der Frage, ob man seine Oberstufenschüler siezt oder duzt, wie viel Privates man zwischendurch durchblicken lässt oder ob man ein Kurstreffen bei sich zu Hause veranstaltet.
Diese Fragen beantworten Lehrer und andere Berufstätige je nach Persönlichkeit, Prägung und Passung zum Kontext mit guten Gründen sehr unterschiedlich. Ziel dieses Posts ist nicht, eine klare Empfehlung abzugeben. Ich kann nur erklären, warum ich wie handle – einerseits, um durch das Nachdenken und Schreiben sich selber etwas Klarheit zu verschaffen und um anderen einen Einblick in fremde Gedanken- und Begründungsprozesse zu geben, die sich aus meiner spezifischen Kombination meiner Biografie, meines Charakters und meines Weltbildes ergeben.
Ich persönlich tendiere auf dem „Nähe-Distanz“-Spektrum eher zum „Nähe“-Pol. Ich verbrudere mich mit meinen Schülern nicht, aber mir fällt es schwer, mein eigenes „Ich“ hinter meiner Lehrerrolle zu verstecken. Ich habe durchaus ein Gespür sowohl für Privates als auch Professionalität, aber ich entscheide mich immer mal wieder ganz bewusst dafür, „ich selbst“ zu sein. Beispielsweise reagiere ich zumalen nicht mit unendlicher pädagogischer Geduld, sondern kommuniziere auch mal, dass mich manches Verhalten nervt oder dass ich nach einer schlafarmen Nacht eine geringere Frustrationstoleranz habe. Besonders bei älteren Schülern schätze ich auch kleine Debatten oder persönliches Geplänkel in der Pause und sogar, wenn es sich fügt und passt, ein wenig Kontaktpflege nach dem Abitur.
So habe ich mich auch für die kurze Hose im Sommer entschieden. Ich nehme durchaus in Kauf, dass möglicherweise manche Schüler so etwas denken wie: „Zieh dich mal vernünftig an“, „Was ist denn das für einer?“ oder „Get your act together“. Warum? Mir hilft es, meinen „teacher act“ mit mehr Leichtigkeit und Fröhlichkeit zu leben, wenn ich passend gekleidet bin. Mir fällt es etwas leichter, die Dynamik des Sommers und meine private Freude in den Klassenraum zu transportieren, wenn ich nicht „zu schwer trage“.
Andere machen ganz andere „Kleidungserfahrungen“. Ich kenne Kollegen, die kleiden sich gerne bewusst schick und ziehen Hemd oder sogar Sakko vor. Es hilft ihnen dabei, sich in eine Rolle und eine Position reinzufühlen, die ihnen Sicherheit vor den Schülern gibt. Auch das ist völlig verständlich und hilfreich. Wie gesagt – jeder kommt aus anderen Motiven und Erfahrungen zu seinen Entscheidungen, auch zu denen an seiner Garderobe.
So viel über Kleidung zu schreiben, mag für den einen oder anderen banal klingen. Doch ich glaube, dass das Gefühl, sich nicht nur in seiner Haut, sondern auch in seiner Hose wohl und arbeits- und begegnungsbereit zu fühlen, ist nicht zu unterschätzen. Jetzt, wo sich der schöne Spätsommer zum Ende neigt, stehen bald wieder andere Jahreszeiten und damit verbundene Fragen und Aufgaben an. Ich wünsche dir, dass du sie gut für dich beantworten kannst.