Ich glaube, dass das, was man als erstes macht, wenn man nach Hause kommt, schon ganz viel aussagt über einen Menschen und sein Leben.
- Treibt es mich normalweise direkt zum Nickerchen aufs Sofa, bin ich anscheinend gerade in einer stressigen Lebensphase.
- Wende ich mich direkt meinem Partner, Mitbewohner oder meinen Kindern zu, habe ich ein Bedürfnis nach sozialer Nähe.
- Lasse ich regelmäßig erstmal den Frust des Tages raus, bin ich anscheinend gerade etwas unzufrieden.
- Gehe ich üblicherweise sofort zum Schreibtisch, hat die Arbeit wohl gerade einen hohen Stellenwert.
Natürlich ist es nicht ganz so einfach und manchmal ist die erste Handlung auch nur eine kurze Übergangsaktivität bis man zum Wesentlichen kommt. Grundsätzlich aber drücken Handlungen wie die obigen unsere Gewohnheiten aus, gleichzeitig prägen sie auch ebendiese.
Ich ertappe mich oft dabei, wie ich mich nach der Heimkehr relativ schnell meinem Laptop zuwende und beginne zu arbeiten, Nachrichten abarbeite oder einfach nur mal gucken will, was so geht. Wie ich erst im letzten Artikel schrieb, weiß ich oft gar nicht genau, was mich den Laptopdeckel öffnen lässt. Es ist eine diffuse Lust auf Aktivität, auf Stimuli, teils auch auch auf Produktivität.
Das Problem dabei ist, dass anderes dabei auf der Strecke bleibt.
Zum Beispiel der Haushalt. Den möchte ich oft erst „später“ machen, wenn ich das scheinbar „wichtige“ in der großen Laptopwelt getan habe. Dieses „später“ wird leider allzu schnell vergessen und so bleibt mehr liegen, als es Luise und mir lieb ist.
Das Phänomen, was ich hier beschreibe, ist vielleicht auch ein Teilgrund, warum gerade Männer in der „Care-Arbeit“ (das Kümmern um Haushalt und Kinder) oft hinterherhinken und Frauen in Folge dessen einen “mental load” darüber verspüren, was noch alles gemacht werden muss. Im Politikunterricht habe ich den daraus resultierenden „gender care gap” erst kürzlich thematisiert und war selbst erstaunt über die enormen Differenzen zwischen dem, was Männer und Frauen zu Hause leisten. Männer fühlen sich meiner Beobachtung nach häufig zu „Höherem“ berufen und empfinden die lästige Haushaltsarbeit als Ablenkung von scheinbar „größeren“ Aufgaben. Karriere, Meetings, Netzwerken, Hobbies, Sport und vieles mehr erscheint diesem Mindset zufolge aufregender als Wickeln und Waschen.
Nun ist die Aufteilung der Berufs- und Haushaltsarbeit eine höchst persönliche Frage, die von vielen Parametern wie Gehalt, Persönlichkeit, Energie, Anzahl der Kinder, lokalen Unterstützungssystem und auch den eigenen Werten abhängt. Eine exakte 50/50-Aufteilung ist kaum mess- und realisierbar und tatsächlich halte ich eine Ehe, WG oder sonstige Beziehung, in der penibelst aufgerechnet und verglichen wird, auch nicht für erstrebenswert. Stattdessen wünsche ich mir von allen Beteiligten eher einen Geist der tätigen Liebe, der Großzügigkeit und der Dienstbereitschaft, die meinem christlichen Verständnis nach unser Miteinander eher prägen sollte als ein minutiöser Kampf um vollkommene Gerechtigkeit. Das Problem bei dieser Vision entsteht natürlich dann, wenn bei einer Partei dieser „Geist“ nicht vorhanden ist und beispielsweise dadurch der meiste workload bei der Frau hängenbleibt.
Letztendlich aber müssen Paare das unter sich ausmachen. Ich hüte mich davor, auch aufgrund relativ kurzer Lebenserfahrung, allzu viele allgemeine Tipps zu geben. Für mich selbst aber habe ich in diesem Bereich auf jeden Fall Wachstumspotential entdeckt.
Als kleinen Trick versuche ich mir anzugewöhnen, direkt nach dem Ankommen zu Hause erstmal runterzukommen und dann erstmal dem Haushalt nachzugehen. Wenn ich Dinge wegräume, staubsauge oder putze, kommt auch mein voller und chaotischer Kopf mehr zur Ruhe und ich fühle mich gleich mehr zu Hause: einerseits, weil das physische zu Hause wohnlicher und ordentlicher ist, andererseits weil auch mein Geist mehr zu Hause ankommt und ich mich „gesammelter“ fühle.
Paradoxerweise bin ich daraufhin oft produktiver, als wenn ich direkt nach der Heimkehr mit digital-gestützer Arbeit anfangen würde. Zwar habe ich vielleicht eine halbe Stunde an den Haushalt „verloren“, aber dafür gehe ich mit mehr Intentionaliät und Ruhe an die anderen Aufgaben.
Die FDP hat 2017 eine Kampagne mit Postern gestartet, auf denen ein schnittiger und im Smartphone versunkener Lindner im schönsten Denglisch die Forderung präsentiert: „Digital first. Bedenken second“. Angesichts der in der BRD scheinbar höchsten Datenschutzstandards der Welt und der sehr langsamen und fragmentierten Strukturen, die nützliche Digitalisierungsentwicklungen z.B. in der Verwaltung und Bildung erschweren, kann ich diesem schmissigen Slogan noch heute durchaus etwas abgewinnen.
Aber ebenso muss ich nach selbstkritischer Betrachtung meines Alltags den Slogan eigentlich umdrehen: Bedenken first, Digital second. Meinen Haushaltslifehack habe ich als Zwischenschritt noch dazwischengeschoben:
- Bedenke erst, was jetzt dran ist und wie ich die vor mir stehende Zeit zu Hause angehen will.
- Widme dich dann den Menschen und Aufgaben in deinem Haushalt.
- Erst dann wende dich möglichst bewusst und zielstrebig deiner digitalisierten Welt zu.
Um mir diese Erkenntnis besser merken zu können, habe ich mit meinem digitalen Bildbearbeitungstool herumgespielt. Viel Spaß beim Schmunzeln und Haushalten 😄
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